Der letzte Urlaub ist gar nicht so lange her, aber Erholungsbedarf habe ich schon wieder dringend. Seit Anfang Juli betrug meine mittlere wöchentliche Arbeitszeit um die fünfzig Stunden. Endlich, endlich kriegen wir Verstärkung im Team. Mein Eindruck ist, dass man in der freien Wirtschaft super lang am Anschlag arbeiten muss, bis die Leitung denkt, jetzt lohnt es sich, neue Kollegen einzustellen.
Ich sitze im ICE nach Berlin, wo der Ehemann schon seit gestern ist. Es war nicht ganz der Plan gewesen. Der Schwiegervater hat am Donnerstag auf dem Weg zum Arzt, wo er vom Pflegeheim aus unbedingt alleine zu Fuß gehen wollte, einen Schwächeanfall bekommen und liegt jetzt im Krankenhaus. Also hat sich der Ehemann den Freitag zusätzlich frei genommen und ist gestern mit dem Auto hin gefahren. Im Prinzip hätte ich, rein von den Arbeitsstunden für diese Woche her, gleich mitfahren können, wenn ich nicht dringend nach einer geeigneten Vertretung für meine laufende Projekte suchen musste. Theoretisch hätte Arndt, mein Chef, für mich einspringen sollen. Ich hatte ihm vor Wochen gesagt, dass ich im September Urlaub habe und er mich bei einem Kundenmeeting vertreten müsse. Ich habe ihn stets ins CC bei jeder Kommunikation mit den Kunden über die Projekte gesetzt. Als ich ihn am Donnerstag wieder daran erinnerte, dass er mein Vertreter ist, meinte er, das könne er nicht tun, er hätte keine Ahnung über meine Projekte. Dabei gibt es wirklich nicht viel zu tun. Es war für mich ein starkes Stück. Er hat die ganze Zeit seine Aufgaben als mein offizieller Vertreter gar nicht wahrgenommen. Ich frage mich, ob er überhaupt meine Emails gelesen hat. Zum Glück hat ein anderer Kollege jetzt zugesagt, das Meeting zu übernehmen, die Erklärung der Projekte hat gerade eine Viertelstunde über Skype[1] in Anspruch genommen, und die Leitung der Firma sucht für mich nach einem anderen dauerhaften Vertreter, denn Arndt kann es offensichtlich nicht sein.
Wir hatten vor, im Urlaub zuerst nach Berlin zu fahren. Eine Freundin vom Ehemann wollte ihren Fünfzigsten feiern. Das hat sie dann vor zwei Wochen Corona-bedingt abgesagt. Wir wollten danach, wie inzwischen jedes Jahr, zu meiner Schwester fahren, um den Geburtstag vom Neffen zu feiern. Das müssen wir jetzt absagen, die Region PACA ist seit zwei Wochen als Risikogebiet eingestuft worden und dem Ehemann drohen Gehaltsverkürzungen, wenn er wissentlich in ein Risikogebiet Urlaub macht. Mir nicht, ich arbeite ja seit März ausschließlich von zu Hause aus, es sei denn, ich muss etwas persönlich abholen, eine Quarantäne hätte keinen Einfluß auf meine Arbeit. Ich habe inzwischen durch den neuen Kollegen sowieso keinen regulären Arbeitsplatz mehr, er sitzt an meinem Schreibtisch und benutzt meine Rechner. Wir bleiben also in Deutschland und werden den Neffen zum Geburtstag über Skype[1] gratulieren.
Diese Fahrt nach Berlin dauert ganz schön lange. Als ich vorgestern nach Verbindungen geschaut hatte, gab es gerade nur zwei Züge, die ohne Umstieg fahren, und beide dauern über sechs Stunden. Wir sind über Fulda gefahren. Ich habe die Nachrichten lange nicht mehr geguckt, vielleicht gab es in Thüringen Hochwasserschäden wegen des starken Regens in letzter Zeit. Gut, das mit der Covidioten-Demo letzte Woche in Berlin habe ich schon mitbekommen. Meiner Meinung nach sollten Leute, die sich, trotz alles verfügbaren Wissens, an solchen Veranstaltungen freiwillig anstecken, ihren Anspruch auf intensive Behandlung verspielt haben, wenn der Verlauf der Krankheit sich doch schlecht entwickelt. Sie können auch einfach Globuli verabreicht bekommen, wenn sie glauben, der Virus wäre eine reine Erfindung. Ethisch ist diese Ansicht zwar nicht vertretbar, aber für Ethik interessieren sie sich auch nicht, wenn sie das Recht anderer Personen auf körperliche Unversehrtheit derart zertrampeln wollen.
Wenigstens funktioniert das WLAN im Zug heute gut, und ich habe mir Videos angeschaut, die ich länger auf meiner Liste hatte, aber für die ich bis jetzt keine Zeit gefunden hatte. Dieses Video von Arte[1,2] war nicht auf meiner Liste, sondern am rechten Rand, und ich hatte keine Ahnung, worum es ging. Ich fand diesen Beitrag beeindruckend, spiegelt es doch sehr meine derzeit pessimistische Ansicht über die Menschheit. Zitat: „[der Mensch] meint alles zu beherrschen und beherrscht nicht einmal sich selbst„. Mir scheint, als ob sich unser Planet nur auf Dauer von den menschengemachten Schäden erholen kann, wenn die Menscheit vernichtet wird, ob aus eigener Schuld oder durch externe Ereignisse. Nachdem ich auch dieses Video[1,3] vor einigen Tagen gesehen habe, denke ich, wir werden es schon selber schaffen. Ich bin deswegen doch recht froh, dass uns das Elternsein erspart geblieben ist.
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[1] Unbezahlte Werbung, da Namensnennung und/oder Verlinkung. Edit vom 03.06.2021: Das Video ist eh nicht mehr aufrufbar, weil Arte gerne Videos auf YouTube nach einiger Zeit löscht und neu hoch lädt. Was ich daraus lerne: Verlinke nie wieder ein Arte-Video von YouTube.
[2] Titel der Doku: „Eine überschätzte Spezies“.
[3] Es ging um gesundheitliche Probleme, die durch den unbedachten Einsatz von neuen synthetischen Molekülen im alltäglichen Leben verursacht werden.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf Meckereien & Co. erschienen.
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