Ich bin heute früh aufgewacht. In der Regel schlafe ich weiter durch, wenn der Wecker das Radio einschaltet. Ich werde nur wirklich wach, wenn der Ehemann zu meiner Seite vom Bett kommt und mich küsst, bevor er zur Arbeit fährt.
Heute war anders. Wenn man solche Nachrichten im Radio hört, kann man einfach nicht weiter schlafen. Seit Monaten frage ich den Ehemann, wenn er die Nachrichten ohne mich schaut, ob der dritte Weltkrieg ausgebrochen ist. Seit Monaten versucht er mir zu erklären, Putin wäre doch nicht so doof, einen Krieg anzuzetteln. Wie gerne ich im Unrecht geblieben wäre.
Da ich ungewöhnlich früh wach wurde, habe ich mich ungewöhnlich früh ans Laptop gesessen. Es war halb acht. Das hätte nicht sein müssen.
Seit Dienstag war die Höhle los auf Arbeit. Die Datenbank, die ich mit Arndt und Lukas betreue und weiterentwickle, und mit der die ganze Firma tagtäglich arbeitet, hat gewaltig gezickt. Mehrere Sichten, die seit Jahren benutzt werden, haben auf einmal nicht mehr funktioniert. Die Abfragen sind hängen geblieben, die CPU-Last vom Server ist zur Decke gesprungen und wir mussten laufende Abfragen manuell abbrechen. Wir haben die Kollegen darum bieten müssen, die LIMS nicht mehr zu benutzen. Was die Ursache fürs Problem war, haben wir bis heute nicht herausgefunden. Eine Inkonsistenz in den Indizes nach einem Refactoring wurde gefunden und behoben, aber nach der Korrektur liefen die Abfragen immer noch nicht. Gestern am späten Abend haben die Sichten auf einmal wieder funktioniert. Und keiner weiß warum. Ich hasse es, wenn Probleme sich von alleine lösen. Zwei Tage purer Stress und am Ende ist man nicht schlauer geworden.
Was mich länger irritiert ist die Art wie Arndt in letzter Zeit mit Lukas und mir umgeht. Am Dienstag hatte ich eine Notlösung gefunden, um eine Sicht wieder am Laufen zu bringen. Anstatt von INNER JOINs hatte ich LEFT JOINs benutzt und schwupps, die Anfrage lief wieder, mit den korrekten Ergebnissen und mehr Zeilen, wobei die neuen Zeilen in einigen Spalten leer waren, aber dieser Unterschied war für die Kollegen im Labor nicht hinderlich, und sie konnten weiter arbeiten. Arndt hat die Krise bekommen und mir vorgeworfen, ich würde mit meiner Arbeitsweise die Datenbankstruktur durcheinander bringen und Probleme umgehen, ohne die Ursache zu beseitigen. Dass ich in unserem Ticketsystem sofort einen neuen Eintrag für die fehlerhafte Sicht eröffnet hatte, war an ihm scheinbar vorbei gegangen. Dass man durch eine Änderung einer Sicht keine Änderung der Datenbankstruktur bewirkt, weil eine Sicht Daten nur darstellt, schien er auch in dem Moment völlig außer Acht gelassen zu haben. Nee, dafür musste er Lukas und mir mitteilen, er würde sich große Sorgen machen, mit der Art, wie wir arbeiten würden.
Dabei machen wir uns mit Lukas mehr Sorgen darüber, wie Arndt mit der Datenbank umgeht. Berechtigterweise. Arndt arbeitet seit einigen Monaten nur noch drei Tage die Woche. Regelmäßig macht er, ohne Absprache mit uns, halb fertige größere Änderungen an der Produktionsversion der Datenbank am Donnerstagabend, kurz bevor er ins Wochenende geht, ohne sie getestet zu haben. Wozu haben wir einen Testserver? Mit Lukas verbringen wir einen guten Teil der folgenden Tagen in seiner Abwesenheit damit, Bugs wegen seiner Änderungen zu beseitigen, anstatt unserer geplanter Arbeit nachzugehen. Weil sonst die ganze Arbeit im Labor stehen bleibt.
Zuletzt hat Arndt fürs Refactoring alle Indizes im VBA Code der LIMS von Integer auf Long ändern wollen, aber anstatt gezielt nach den Indizes im Code zu suchen um die Typänderung durchzuführen und zu prüfen, was mit den Variables geschieht und gegebenenfalls Datentypkonversionen anzupassen, hat er einfach pauschal „As Integer“ durch „As Long“ überall ersetzt, und ist dann ins Wochenende gegangen, mit dem Commit-Kommentar in der Repository, wir sollten bitte schön alle seine Änderungen prüfen. Wir haben mit Lukas zusammen mehr als einen Tag damit verbracht. Das Dämliche, der größte Teil seiner Änderungen bestand aus „Cancel As Integer“ → „Cancel As Long“, was gar keinen Sinn macht und die ganzen Formulare unbrauchbar gemacht hatte. Ich könnte heulen, wie schlampig der arbeitet.
Der Tropf zu viel war heute eine Diskussion zum Thema Urlaub. Ich hatte vor einem Monat eine Email mit Datum für meine Urlaubsplanung geschickt und gefragt, ob es so passt. Die Email ging an mein wissenschaftliches Team, an das ich offiziell gebunden bin, von Tim geführt, und an das Projektmanagement-Team, weil sicher gestellt werden muss, dass meine Kunden in meiner Abwesenheit betreut werden. Arndt war in den Empfängern der Email drin. Bis heute hatte niemand gesagt, es passt nicht, also habe ich Tim gesagt, ich würde jetzt den Urlaub beantragen. Tim, der offiziell meinen Urlaub genehmigen muss, meinte, ich sollte sicher stellen dass Arndt, Lukas und ich nicht gleichzeitig Urlaub haben, falls es Probleme mit der LIMS gibt. Ich habe also nochmal Arndt explizit gefragt. Seine Antwort: Von ihm aus kein Problem, aber von Lukas und mir muss eine Person immer verfügbar sein. Hallo, wir sind doch zu dritt im LIMS-Team! Arndt sollte auch Probleme alleine lösen können, schließlich hat er die LIMS ursprünglich konzipiert. Und ausgerechnet in meiner gewünschten Woche hat Lukas schon Urlaub geplant. Ohne uns irgendwas zu fragen. Jetzt bin ich die Doofe, weil ich angefragt habe. Zweimal, weil beim ersten Mal keine Antwort von Arndt kam. Wie soll ich denn Urlaub planen können, wenn ich mich mit drei Teams abstimmen soll? Und warum soll ich alle fragen, aber die zwei anderen Kollegen im LIMS-Team keine Rücksicht auf mich nehmen und Urlaub einfach buchen wie es ihnen passt?
Ich habe die Schnauze voll. So spannend der Job sonst sein mag, ich bewerbe mich weg. Gerade gibt es eine interessante Stelle in Berlin. Wieder im öffentlichen Dienst, nachdem ich es endlich in die Industrie geschafft hatte, aber immerhin unbefristet. Und im öffentlichen Dienst wird der Gehalt regelmäßig erhöht, im Gegenteil zu meiner aktuellen Stelle. Ich würde nicht vier Jahre lang auf meinem Einstiegsgehalt bleiben. Es ist ein Versuch wert. Der Ehemann hat eh Heimweh.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf Meckereien & Co. erschienen.
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen...