Eigentlich wollte ich über das Wochenende schreiben. Wir haben eine sehr schöne Wanderung gemacht, das Wetter war toll, wir haben richtig vom Alltag abschalten können. Leider überschatten Ereignisse von gestern nachmittags alles, und die Erholung ist schon futsch.
Das S-Bahn-Chaos vom Wochenende war gestern das geringste Übel. Wie gefühlt jedes Wochenende fuhr so gut wie gar nichts durch die Stammstrecke. Wir sind von unserem Endpunkt der Wanderung mit der S7 zum Hauptbahnhof gefahren. Der Ehemann meinte, es gäbe Schienenersatzverkehr zwischen Donnersbergerbrücke und Pasing, aber ich habe damit sehr schlechte Erfahrung in München gemacht. Besser zum Hauptbahnhof fahren, und von dort die Regionalbahn nach Pasing zu nehmen. Die Regionalbahn war aber aufgrund des Ausfalls der S-Bahn überfüllt und ist so spät abgefahren, dass wir die S8 nach Herrsching verpasst haben. Die nächste S8 hatte natürlich Verspätung. Mit müden Beinen, schweren Rucksäcken und nach Schweiß stinkend war es kein Vergnügen, auf dem überfüllten Bahnsteig in der Hitze stehend zu warten. Vor allem, da in Pasing gerne in allerletzter Minute der Bahnsteig geändert wird, an dem die Bahn ankommt. Das ist uns gestern wenigstens erspart geblieben. Ich meinte von vorne rein, wir hätten die S7 in Harras schon verlassen sollen, mit der U-Bahn bis Martinsried fahren, und von dort mit dem Bus nach Hause. Es hätte länger gedauert, wäre aber wesentlich entspannter gewesen. Der Bus ist immer leer, und am Wochenende dürfte in Martinsried nichts los sein, da es an der Uni keine Vorlesung gibt. Der Ehemann wollte nicht Bus fahren. Beim nächsten Mal übernehme ich die Fahrtplanung.
Dadurch, dass wir so lange in Pasing auf die S8 warten mussten, habe ich meine Emails auf dem Handy gelesen. Dabei war eine Email von Bianca, die mir, meiner Mutter und meiner Schwester eine Email von meinem Vater weitergeleitet hatte. Der Inhalt seiner Email war eine bodenlose Frechheit. Wir hatten uns letztes Jahr geeinigt, dass Bianca weiterhin in dem Haus meines Bruders wohnen darf, das er gekauft hatte, um mit ihr zu leben. Ich höre es noch in meinem Kopf, wie mein Vater es für selbstverständlich erklärte. Wie er Bianca umarmt hatte und ihr gesagt hatte, sie wäre wie eine Tochter für ihn. Wir hatten Details mit Bianca beredet, und sie war einverstanden, die Laufkosten vom Haus zu übernehmen, und dafür ohne Miete im Haus zu wohnen. Es ist über ein Jahr her. Einen offiziellen Vertrag habe ich nie gesehen. Die Notarin hatte uns auch die endgültige Erbpapiere ziemlich verspätet geschickt und ich dachte, erst danach könnten wir einen solchen Vertrag machen. In seiner Email an Bianca, wo er sie nicht mehr duzt sondern siezt, schreibt mein Vater jetzt, er würde am nächsten Wochenende zu ihr kommen und sie soll ihm bitte schön die Schlüssel vom Haus händigen, sollte sie nicht bereit sein, das Haus von ihm abzukaufen. Eine solche Entscheidung hat er nicht alleine zu treffen! Das Haus gehört ihm nur zu einem Viertel, und wir sind drei weitere Mitbesitzerinnen dabei, die mit diesem Vorgehen nicht einverstanden sind! Und überhaupt, einen alleinigen Anspruch auf das Haus hat mein Vater nicht! Nach Beratung mit meiner Mutter hat Bianca also meinem Vater geantwortet und gefragt, ob wir von seiner Anforderung informiert wurden, und uns so offiziell ins CC gesetzt. Nein, mit uns hat er natürlich nicht darüber geredet. Jetzt muss ich also antworten und widersprechen. Ich frage mich, ob es angebracht wäre, rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn mein Vater seinen Anteil am Haus an Bianca verkaufen will, gerne. Er hat uns allen aber nicht dazu zu zwingen, vor allem so hinterhältig ohne uns in Kenntnis zu setzen.
Ich war schon recht aufgewühlt, als ich meine Schwester anrief, um sie zu fragen, was sie nach der Email dachte zu tun. Die Email hatte sie noch nicht gesehen. Sie erzählte, sie wäre natürlich nicht einverstanden, Bianca aus dem Haus rauszuschmeißen. Andererseits steckt sie in finanziellen Schwierigkeiten, da sie nur Arbeitsverträge für wenige Monate kriegt, und auf Dauer wäre es für sie gut, wenn sie ihren Anteil vom Haus verkaufen könnte. Und überhaupt, an den Sommerferien habe sie vor, zu meiner Mami mit dem Neffen umzuziehen, um von Bertrand, dem Vater vom Neffen, zu fliehen. Weil sie ohne Festanstellung keine Wohnung kriegen würde. Verdammt. Dass es so schlecht zwischen ihnen ging, hatte ich keine Ahnung. Woher auch, wenn sie sonst nie was erzählt? Jetzt verstehe ich wenigstens, warum wir Bertrand bei unseren letzten Besuchen seit zwei Jahren nicht mehr gesehen haben. Von wegen, er ist auf Arbeit. Bertrand ist eigentlich ein Freund von unserem Bruder gewesen. Er hatte uns häufig erzählt, er wäre von seinem Vater als Kind regelmäßig geprügelt worden und würde deswegen niemals seinem Kind irgendwas antun. Dass er seiner Freundin, der Schwester von seinem Kumpel, Gewalt antun würde, hätte ich deswegen nicht gedacht. Vermutlich ist er wie mein Vater. Vor den Anderen macht er ein gutes Gesicht, heimlich ist er ein Tyrann. Ich mache mir jetzt Sorgen, ob meine Schwester rechtzeitig ihren Umzugsplan umsetzen kann. Und wenn sie es schafft, ob Bertrand sie bei meiner Mami abholen zu versuchen wird, und ob er dann allen Gewalt antun wird. Er wird schon wissen, wo sie ist, seine Schwester lebt im Dorf meiner Mami. Meiner Meinung nach ist kein von den drei mehr sicher. Ich habe meiner Schwester angeboten, erstmal zu uns zu kommen. Er kennt unsere Adresse nicht. Es ist ihr zu viel, mit Kind zu einem anderen Land umzuziehen. Obwohl sie gut Deutsch spricht und es in München eine französische Schule gibt. Sie möchte dem Neffen nicht zu viele Änderungen auf einmal zumuten.
Schlafen konnte ich trotz langer Wanderung heute Nacht kaum.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf Meckereien & Co. erschienen.