Wir waren mit dem Ehemann in einem Flugzeug nach Nizza. Der Flugzeug war gelandet, hatte eine Runde gedreht, aber nicht gehalten, und schon bereitete es sich für seinen nächsten Flug nach China vor, ohne dass Passagiere ausgestiegen wären.
Ich habe mich lauthals beschwert, dass wir hier aussteigen müssen. Meine Sitznachbarin, die wie meine Schwester aussah, meinte, ich sollte schnell zur Pilotenkabine gehen und Bescheid sagen. Man müsste nur an die Tür einen bestimmten Code klopfen, »Toc — Toc Toc«, und dann würde man herein gelassen. Als sie dies sagte, ging die Tür zur Pilotenkabine tatsächlich auf. Allerdings nicht vorne, sondern links, wo eine Wendeltreppe zu sehen war[1]. Ich ergriff die Gelegenheit und ging sofort rauf zu den Piloten. Von oben aus konnte ich sehen, dass wir schon das Gelände vom Flughafen[2] verlassen hatten und auf der Straße rollten. Der Himmel war bedeckt. Als ich den Piloten erklärte, dass wir nur bis Nizza fliegen wollten, sagte einer, dass er dann unser Gepäck in fünfzig Minuten raus lassen würde. Ich wurde aus dem Flugzeug heraus gelassen, während der Ehemann noch drin saß. Ich schrieb ihm eine Nachricht, dass er in fünfzig Minuten aussteigen sollte. Er hatte sowieso sein Fahrrad am Flughafen angeschlossen und würde damit weiter fahren.
Ich war in einer großen Einkaufshalle und suchte den Weg zum Flughafen. So viel Zeit hatte ich nicht, um mein Gepäck abzuholen. Hoffentlich würde ich den Ehemann wieder finden. Hoch an einer Wand eines langen Flures sah ich einen Wegweiser zum Flughafen. Ich lief und erreichte eine unübersichtliche Halle, wo von hinter mir Leute aus einer riesigen Rolltreppe herunter kamen. »Wie komme ich zum Gepäck?«, habe ich verzweifelt gerufen. Eine Frau rechts von mir sagte, vorne links durch die große Tür. Die einzige Tür vorne links führte zu einem Außenbereich mit dichter grüner Vegetation, mit einem kaum erkennbaren Weg entlang eines Zaunes[3].
Auf einem heruntergekommenen Parkplatz fand ich den Ehemann in unserem Auto. Er saß am Fahrersessel und wirkte schockiert. Mir schossen viele Fragen durch den Kopf, wie »Was machst du hier?«, »Wie konntest du schon das Flugzeug verlassen, wenn die fünfzig Minuten noch nicht durch sind?«, »Was ist mit deinem Fahrrad?«, »Wie ist unser Auto hierher gekommen?«, bis ich sein Fenster sah. Es wurde eingeschlagen. Am Boden unter meinen Schuhen lagen tausende Glassplitter.
»Was ist passiert?«, fragte ich schließlich den Ehemann.
»Drei Männer und eine Frau…«, fing er an, ohne weiter zu reden.
»Haben sie das Auto aufgebrochen?«, fragte ich.
»Nein, sie hatten darum gebeten, herein zu dürfen.«
»Wir müssen eine Anzeige erstatten, wie sahen sie aus?«
»Ganz normal, wie du und ich. Du hast auch nicht gesehen, was die Frau gemacht hat.« Er zeigte mit dem Daumen zur hinteren Sitzbank. Auf dem Leder war Flüßigkeit zu sehen, überall verteilt, ein Pappbecher lag drauf und ein Kaugummi klebte an der hinteren Scheibe rechts.
»Wir müssen eine Anzeige erstatten«, wiederholte ich.
»Och, es lohnt sich doch nicht«, sagte der Ehemann.
»Verdammt noch mal, es geht hier um Respekt!«, schrie ich ihn aufgewühlt an[4].
Wir sind auf dem Tarmac zur Gepäckabgabe gelaufen. Draußen. Dort waren die Laufbänder fürs Gepäck zu sehen, mit elektronischer Beschilderung, aber es war nicht zu erkennen, aus welchem Flugzeug wir ausgestiegen waren. Es befand sich auch gerade kein Gepäck auf den Laufbändern, und wir waren die einzigen Passagiere da.
Es ist kurz nach drei Uhr morgens als ich aufwache. Mein Kopf pocht immer noch rechts am Schädel. Ich habe mich gestern auf der Bergwanderung richtig überanstrengt. (Der Beitrag kommt demnächst.)
[1] Wie in einem Berliner Doppeldeckerbus.
[2] Der Flughafen sah ganz anders als der Flughafen in Nizza aus.
[3] Eine ähnliche Situation wie während der Fortsetzung unserer Isar-Wanderung letzter Woche.
[4] Das ist so typisch für den Ehemann. Zuletzt letztes Jahr, während ich auf Dienstreise war, ist er von einem Reisebus zum Bürgersteig geschleudert worden, als er mit dem Fahrrad nach Hause fuhr und vom Bus überholt wurde. Er hat den Busfahrer aufholen können, ihn zur Rede gestellt, aber der Busfahrer hat ihn geschimpft und ihm den mittleren Finger gestreckt, als der Ehemann ihn fotografiert hat, weil er sich weigerte, sich auszuweisen. Als es nach den ersten Verhandlungen hieß, es gäbe mangels Zeugen als Last gegen den Fahrer nur die Beleidigung, und der Fahrer hätte sich „entschuldigt“, hat der Ehemann die Anzeige zurück gezogen. Seine Begründung: Der Busfahrer wäre jetzt bestimmt bestraft genug, überhaupt einen Prozess durchgemacht zu haben, würde sicherlich nicht viel verdienen und hätte bestimmt sein Job verloren, oder wenigstens Ärger im Job bekommen. Alles Vermutungen. Diese Meinung vom Ehemann vertrete ich überhaupt nicht, und ich hätte den Busfahrer blechen lassen, weil es verdammt noch mal um Respekt geht. Und um verantwortungsvolles Fahrverhalten, ohne das Leben von schwächeren Verkehrsteilnehmern zu gefährden. Wenn die Leute im erwachsenen Alter noch erzogen werden müssen, dann klappt es nur, wenn es dem Geldbeutel weh tut, weil Arschloch Arschloch bleibt.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf Meckereien & Co. erschienen.
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen...